Interview mit Thomas Hohler: „Ganz selten habe ich Blitzgedanken, wo ich manchmal denke: 'Puh… Diese Woche einfach mal einen Bürojob und am Wochenende frei.' - aber in der gleichen Sekunde weiß ich schon wieder, dass ich mein Leben niemals eintauschen mag oder könnte!“

Veröffentlicht am 23. August 2022 um 11:13

Thomas Hohler ist ein bekannter deutscher Musicaldarsteller, der sein Studium im Fach “Musical/Show“ 2006 an der Universität der Künste Berlin abgeschlossen hat. Bekannt wurde er unter anderem als D‘Artagnan aus “Die drei Musketiere“, als Dimitri aus “Anastasia - Das Broadway Musical“ und momentan spielt er die Rolle des Guy von Gisbourne in “Robin Hood - Das Musical“.

 

Thomas, wie schön, dass du dich zu diesem Interview bereit erklärt hast. Im Voraus schon mal vielen Dank dafür.

Beginnen wir doch mit deiner Vergangenheit. Du hattest von 1996 bis 1997 in Duisburg die Kinderrolle des Gavroche in “Les Misérables“ inne. Wie genau kam es dazu und wie hattest du dich damals gefühlt, als du diese Rolle übernommen hattest? Wie fühlst du dich heute, wenn du auf diese Zeit zurückschaust?

 

Thomas Hohler: 

Meine damalige Klavierlehrerin machte mich auf das Kindercasting bei “Les Mis“ aufmerksam. Ich habe schon immer gern gesungen und fand Musicals toll. Auch als Kind. So kam eins zum Anderen und ich durfte eine der spannendsten und prägendsten Erfahrungen machen. Die Kinderrolle in “Les Mis“ war relativ umfangreich. Ich habe - im kindgerechten Umfang - Verantwortung übernehmen müssen, habe die Darsteller und alle Mitarbeiter im Theater bei Ihrem Schaffen erlebt und habe immer positives Feedback für meine Auftritte bekommen. Das hat mich glücklich und stolz gemacht.   

 

 

War diese Kinderrolle der ausschlaggebende Punkt, an dem du dich für den Beruf des Musicaldarstellers entschieden hast oder wie kam es bei dir zu dieser Entscheidung?

 

Thomas Hohler: 

Ja. Das war durchaus die “Weichenstellung”, die mir die Idee eingepflanzt hat. Trotzdem war der Wunsch, aus diesem “Hobby” einen Beruf zu machen, nicht immer so klar. Ich hatte durchaus auch andere Interessen. Kurz vor meinem Abitur habe ich jedoch bei “Jugend musiziert” und dem Bundeswettbewerb Gesang in Berlin teilgenommen und habe in beiden Wettbewerben sehr erfolgreich abgeschnitten. Da war für mich klar, dass ich den Antrieb und Biss habe, es zu versuchen und habe mich um Studienplätze beworben. 

 

 

Gab es in deiner bisherigen Laufbahn eine Rolle, bei der es dir schwer fiel, diese darzustellen? Wenn ja, welche war das, aus welchem Grund und wie bist du damit umgegangen?

 

Thomas Hohler: 

Jede Rolle hat ganz eigene individuelle Anforderungen und Tücken. Das gibt einmal das Material vor (ist es z.B. eine anspruchsvolle Gesangspartie) und dann kommen die Aufgaben, es in der jeweiligen Inszenierung mit den Wünschen von Regie und Produktion in Einklang zu bringen. Leider kann ich das gerade nicht pauschal mit einer Figur beantworten, da ich bei jedem Part, den ich bis jetzt spielen durfte, immer noch gerne “einen drauf setzen” würde. :-)



Ist der Beruf des Musicaldarstellers heutzutage, deiner Meinung nach, ein lohnender und empfehlenswerter Beruf und aus welchem Grund oder aus welchem Grund nicht?

 

Thomas Hohler: 

Das ist eine Frage die sehr oft aufkommt. Ich denke allerdings, dass man kunstschaffende Berufe auf diese Weise gar nicht kategorisieren oder einordnen kann. Beim “Preis-Leistungs-Verhältnis”, was Arbeitszeit und Vergütung mit Berücksichtigung von Freizeitausgleich und langfristiger Sicherheit angeht…. Da fällt dieser Beruf sicher durch. Besonders, wenn man gern ein freies Wochenende hat und alle Familienfeste und Feiertage wahrnimmt. 

Bei der Entscheidung, sein Leben so zu gestalten, dass man sich als Künstler ausleben und verdingen kann, ist aber die Freiheit und Möglichkeit, dem Schaffen nachzugehen, das Wichtigste. Natürlich muss man Talent und Fertigkeiten dazu mitbringen und sich aneignen, damit man davon gut Leben kann. Ganz selten habe ich Blitzgedanken, wo ich manchmal denke: „Puh… Diese Woche einfach mal einen Bürojob und am Wochenende frei.” - aber in der gleichen Sekunde weiß ich schon wieder, dass ich mein Leben niemals eintauschen mag oder könnte! 



Wie würdest du selbst den Charakter deiner aktuellen Rolle als Guy von Gisbourne in “Robin Hood - Das Musical“ beschreiben? War er schon immer so “böse“ oder denkst du, er ist ein Opfer der äußeren Umstände?

 

Thomas Hohler: 

Jeder gute Bösewicht muss Absichten haben, die man ihm glaubt. Sonst wäre das ja langweilig, wenn man ihn als Zuschauer nicht ernst nimmt. Gerade bei Guy von Gisbourne haben wir das mit dieser Figur besonders versucht herauszukitzeln, was das Buch schon von Beginn an angelegt hatte. Mein Guy startet mit starken Idealen. Er ist strebsam, ehrgeizig und vor allem loyal. In seinen Augen sind das alles “gute” Attribute. In den meisten Geschichten aus dem Mittelalter ist die Moral immer etwas, das von Institutionen oder Herrschern gedeutet oder umgedeutet wird. So auch in Robin Hood. Guy klammert sich also an seine Ideale, aber die gegebenen Umstände konfrontieren Ihn immer wieder mit Enttäuschung und Zurückweisung. Bei jeder Enttäuschung wird er immer verbissener und die Schlinge zieht sich zu. 

Moralisch zu handeln und sich aus diesem Strudel zu befreien, ist in unserer Geschichte dem Helden vorbehalten. Aber ich denke, hätte “mein Guy” einen guten Psychologen mit heutigen Wertvorstellungen gehabt, hätte man das schnell in den Griff bekommen und er wäre mit Robin am Ende ein Bier trinken gegangen. ;-)  

Kannst du dich mit dieser Rolle auf irgendeine Art Identifizieren und aus welchem Grund oder aus welchem Grund nicht? Wie individualisierst du diese Rolle selbst?

 

Thomas Hohler: 

Wie schon beschrieben: Ich als Interpret und Darsteller MUSS meiner Figur glauben. Dazu muss ich mich natürlich ein bisschen “dumm stellen”. Aber die emotionale Ebene in der unerfüllte Wünsche, Zurückweisung und Enttäuschung zu Wut und Aggression führen, ist, denke ich, plausibel. Heute kennen wir zum Glück so was wie “Impulskontrolle”. Ich versuche, den Guy so zu spielen, dass der Zuschauer das auch mitbekommt und nachvollziehen kann. Wenn im Showdown auch nur ein Zuschauer denkt: „Ach,Mensch, die beiden… Das hätte doch nicht so schlimm ausgehen müssen. Am Anfang war doch alles okay…” - dann habe ich mein Ziel erreicht :-)  



Welche Art von Rollen übernimmst du lieber? Die Protagonisten oder die Antagonisten? Und aus welchem Grund?

 

Thomas Hohler: 

Ich liebe Figuren, die eine Entwicklung durchmachen. Klar spiele ich auch gern den Helden. Aber auch in jedem Antagonisten stecken spannende, manchmal sogar spannendere Aufgaben. :-) 



Gibt es zukünftige, persönliche Projekte deinerseits, beispielsweise ein Album oder Konzerte, über die du an dieser Stelle schon etwas mehr verraten möchtest?

 

Thomas Hohler: 

Ich habe einige Ideen, für die mir dann aber auch immer wieder die Zeit fehlt. Aber ich bin bemüht, in der Richtung bald was von mir zu geben. Mehr verrate ich lieber noch nicht. 



Wir befinden uns hier ja auf einer Webseite, die hauptsächlich für Musicalkritiken eingerichtet wurde, und deswegen meine letzten Fragen: 

Wie oft liest du selbst Musicalkritiken, wie ernst nimmst du diese und worauf müssen, deiner Meinung nach, gute Kritiken unbedingt eingehen, dass sie für dich konstruktiv sind?

 

Thomas Hohler: 

Ich lese tatsächlich häufig Kritiken. Nicht immer alle, aber natürlich bin ich auch neugierig, wie unser Schaffen von außen wahrgenommen wird. Eine Kritik oder Rezension sollte für mich eine Mischung aus Sachlichkeit und Tiefgang haben. 

Ich nehme jede Kritik ernst, in der der/die AutorIn erkennt, dass alle Beteiligten einer Produktion sich Gedanken gemacht haben, etwas ausdrücken wollten. Oder eben - wenn sie es nicht getan haben… Dann darf und soll das auch kritisiert werden. Wenn etwas mal nicht gelingt oder unfreiwillig ins Komische oder Abstruse rutscht - na klar, darf das erwähnt werden. 

Wir erzählen Geschichten und/oder vermitteln Botschaften. 

Darum geht es. 

Jede Abteilung im Theater durch Ihre Ausdrucksmöglichkeit. (Buch, Komposition, Kostüm, Maske, Musik, Gesang, Tanz, Regie, Licht.. usw..)

Vereinfacht: Setzt sich ein Artikel damit auseinander, „was uns die Künstler damit sagen wollten“ oder was diesen Abend besonders gemacht hat, lese ich solche Artikel immer sehr gerne.

Ich habe letztens eine “Kritik” über eine andere Produktion gelesen, in der tatsächlich stand, dass man es “besser gefunden oder sich gewünscht hätte, wenn Darsteller XY für die Rolle besetzt worden wäre, anstelle von Darsteller ZX”. 

So ein unsachlicher, unprofessioneller Unfug ist Zeitverschwendung zu lesen und hilft niemandem. Bei Amazon würde ich bei: “War diese Rezension hilfreich” auf “NEIN” klicken. ;-) 

Vereinfacht: Lese ich in einer Fachzeitschrift für Weißweine einen Artikel über einen bestimmten Riesling, in der der/die WeinkritikerIn schreibt, er hätte lieber einen bestimmten Chardonnay probiert, weiß ich am Ende nichts über den Riesling.



Jetzt sind wir auch schon am Ende dieses Interviews. Thomas, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, auf die Fragen zu antworten. Hoffentlich bis bald!

 

Thomas Hohler:

Ich danke dir auch für deine tollen Fragen! Viel Erfolg mit der Website!