Premierencast
Rolle | Verkörpert durch |
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Maria Eva Duarte de Perón (Evita) | Milica Jovanović |
Che | Patrick Adrian Stamme |
Juan Perón | Doğukan Kuran |
Magaldi | Aleksandr Nesterenko |
Peróns Geliebte | Rosha Fitzhowle |
Das Kultmusical "Evita“ erzählt im Opernhaus des Theaters Magdeburg eine glanzvolle Geschichte der argentinischen Präsidentengemahlin, Schauspielerin und Sängerin Eva Perón, von ihrem Aufstieg bis hin zu ihrem Tod, und hinterfragt den glamourösen Mythos. Es ist ein Stück, das gemischte Gefühle hervorruft.
Besuchte Premiere: 11. November 2023 19:30
Ein Zirkus - so beschrieb Che, ein argentinischer Student und Vertreter des Volks, am Anfang des Stücks die Trauer um die Evita genannte Maria Eva Duarte de Perón, nachdem dem argentinischen Volk am 26. Juli 1952 mitgeteilt worden war, dass sie an jenem Tag in die Unsterblichkeit eingegangen wäre. Che blieb davon unberührt und blickte kritisch auf das Leben Evitas zurück.
Dabei erlebten die Zuschauer den steilen und etwas fragwürdigen Aufstieg des argentinischen Stars, ihren politischen Einfluss und den Preis, den der Aufstieg und die Macht mit sich brachten.
Generell wurde Evita in diesem Stück sehr ambivalent dargestellt. Sagte sie doch, dass sie eine vom Volk sei, bliebe und es immer unterstützen würde, erfuhr das Publikum von Che, dass sie ein Nummernkonto in der Schweiz hatte. Im zweiten Akt sprach Evita zu dem Volk als eine von ihnen, doch stand sie in Haute Couture auf einem Balkon und sah auf das Volk hinab. Kurze Zeit später saß sie mit einem Flachmann vor einem Theaterspiegel, was dem Zuschauer suggerierte, dass sie der Welt eigentlich nur etwas vorspielte. Selbst Che kam mit seiner Kritik an manchen Stellen ins Wanken und wusste bis zu ihrem tragischen Tod nicht recht, was er von Evita schlussendlich halten sollte.
Im Stück wurde auf der Bühne viel möglich gemacht. Ein Hauptbestandteil des Bühnenbildes von Michael Lindner waren zwei Treppen-ähnliche Rollelemente, die zum Anfang des Stücks zusammen zum Beispiel als Sitzreihen eines Kinos fungierten und im Laufe des Stücks unterschiedliche Funktionen übernahmen. Im Bühnenboden befand sich ein Hubpodium, welches Evita am Anfang des ersten Akts in einem gläsernen Sarg präsentiert hochfuhr. Zum zweiten Akt wurde sie auf einem Balkon zu dem berühmten Lied "Wein‘ Nicht Um Mich, Argentinien“ von der Bühnendecke heruntergelassen, was den imposanten Eindruck der Szene nochmals verstärkte. Allgemein war auf der Bühne stets eine dynamische Bewegung festzustellen, durch den rasanten Szenenwechsel und Requisiten wie ein Fahrrad, auf dem Evita zum eigentlichen Anfang ihrer Geschichte auf die Bühne und am Ende nach ihrem Tod wieder von der Bühne hinunter gefahren wurde, was einen symbolischen Charakter besaß und unterstrich, dass sie eigentlich immer zum einfachen Volk gehörte.
Die Kostüme unter der Verantwortung von Tanja Liebermann waren dem Anfang und der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts entsprechend, auch teilweise von Fotos und Aufnahmen von Evita inspiriert und fügten sich überaus gut in die Geschichte ein.
Volker Michls Choreografien waren überaus ansprechend gestaltet und stets auf dem Punkt, mit modernen, aber auch typisch spanischen und argentinischen Tanzelementen. Schade war es allerdings, dass die Statisterie des Theaters Magdeburg und das Ballett Theater Magdeburg am besuchten Premierenabend bei den Ensemblenummern noch nicht einmal so taten als würden sie mitsingen. Dies wäre sehr wünschenswert und für die Szenen weniger irritierend gewesen.
Die Musik von Andrew Lloyd Webber mit dem Libretto von Tim Rice bestand gerade im ersten Akt vorwiegend aus disharmonischen Klängen, die eher gewöhnungsbedürftig für jene Ohren sein mochten, die mit einer solchen Musik nicht vertraut sind. Diese speziellen Klänge spiegelten die Stimmung und die damaligen, chaotischen Umstände der Geschichte wider. Im zweiten Akt wurde dies etwas ausgeglichener.
Der Komposition entsprechend und mit durchdringendem Klang umgesetzt wurde diese Musik von der Magdeburgischen Philharmonie unter der musikalischen Leitung von Pawel Poplawski.
Kritisch zu betrachten war die Konstellation der Sänger.
Während die beiden Hauptdarsteller, die Evita und Che verkörperten, ausgebildete Musicaldarsteller waren, war der Rest des Ensembles vom Musiktheater Magdeburg. Dieser Wechsel zwischen Musical- und klassischen Gesang fiel beim Hörerlebnis sehr ins Gewicht. Hatte man doch stets den Eindruck, die beiden Musicalsänger müssten sich sehr anstrengen, um gegen ihre klassischen Kollegen anzusingen, damit sie von der Lautstärke her nicht untergingen.
Besonders auffallend war dieses Problem im Zusammenspiel mit dem Opernchor, der eine beeindruckende stimmliche Gewalt besaß, in der Phonetik bei der besuchten Vorstellung jedoch Schwächen erkennen ließ. Oftmals hatte man Schwierigkeiten, herauszuhören, was der Opernchor gerade sang.
Alle Sänger inklusive des Opernkinderchors des Konservatoriums „George Philipp Telemann“ hatten den größten Respekt für ihre gesangliche Leistung in diesem Stück verdient.
Milica Jovanović hatte die Titelrolle der Evita (Eva Perón) inne und wusste diese mit vollendetem darstellerischen und tänzerischen Können dem Publikum zu präsentieren. Mit Evita hat sie eine der gesanglich anspruchsvollsten Rollen des Stücks übernommen. Sie musste sehr oft disharmonisch, in einem schnellen Tempo und häufig in einer sehr hohen Tonlage singen. Dies war ihr auch besonders zum Ende des ersten Akts bei "Wach‘ Auf, Argentinien“ anzumerken. Bei dem weltbekannten "Wein‘ Nicht Um Mich, Argentinien“ im zweiten Akt konnte Milica Jovanović mit ihrem gefühlvollen Gesang ihr Publikum nicht nur auf, sondern auch vor der Bühne begeistern.
Che, der als kritischer Erzähler durch das Stück führte, wurde von Patrick Adrian Stamme dargestellt. Auch er begeisterte mit darstellerischem Talent. So gab er seiner Rolle die nötige Balance zwischen Kritik und Menschlichkeit gegenüber Evita. Doch auch hier war ihm anzumerken, dass es an seine stimmlichen Grenzen ging.
Der klassische Bariton Doğukan Kuran stellte seine Rolle als Juan Perón überaus glaubwürdig, doch gesanglich nicht vollends überzeugend dar.
Die Rolle des Magaldi, der Evita zum Anfang ihrer Karriere als Aufstieg diente, wurde vom klassischen Tenor Aleksandr Nesterenko übernommen. Er glänzte in "Diese Nacht Ist So Sternenklar“, "Eva, Geh Nicht In Die Großstadt“ und beim "Wohltätigkeitskonzert“ mit seiner stimmlichen Sicherheit.
Als besonderer Gewinn und heimlicher Star in diesem Stück stellte sich Rosha Fitzhowle als Peróns Geliebte in dem Lied "Du Nimmst Den Koffer Wieder In Die Hand“ heraus. Sie bereicherte das Musical mit ihrem wohlklingenden, klassischen Sopran. Ihr Vibrato war nicht zu stark und fügte sich im Duett mit Patrick Adrian Stamme gut ein. Wenn es mehr solcher Sänger wie sie gegeben hätte, wäre es eine ausgeglichenere Mischung gewesen.
Insgesamt ist das Musical "Evita" im Opernhaus des Theaters Magdeburg für all diejenigen sehenswert, die vor allem offen für ungewohnte Klänge sind sowie eine Reise in Evitas Vergangenheit erleben möchten.