”Wicked - Die Hexen von Oz“ - Hamburg

Veröffentlicht am 1. Juni 2022 um 12:30

Die umstrittene Neuinszenierung von ”Wicked - Die Hexen von Oz“ im Hamburger Stage Theater Neue Flora ist gelungen und für die ganze Familie absolut sehenswert.

 

Besuchte Vorstellung: 28. Mai 2022 14:30 (Matineebesetzung)

 

Die alte Fantasiewelt Oz wurde in ein neues, modernes Gewand gekleidet und wurde so wie die Geschichte um Gut und Böse zeitlos gestaltet. Ob es die mit grünen LEDs beleuchteten Gebäude, die moderne Ozkothek, die runden, grünen Mobilgeräte oder die plastischen, farbenfrohen und zum Teil auch futuristisch wirkenden Kostüme waren - das Kreativteam um Set-Designer Jon Bausor, Kostüm- und Make-up-Designer Moritz Junge und Licht-Designerin Lucy Carter hat bei der Neuinszenierung ganze Arbeit geleistet, ohne jedoch den märchenhaften Zauber von der Originalinszenierung am Broadway und West End zu zerstören. 

 

Auch lobenswert zu erwähnen sind die 3D-Videoeffekte von Tal Rosner, mit denen beispielsweise Elphabas Zauberanfälle, Regen auf einer durchsichtigen Leinwand sowie der Wirbelsturm dargestellt wurden, aber auch Schlagzeilen von der bösen Hexe, die dem Publikum gewissermaßen entgegen flogen.

Technisch wurde viel von dem Illusion-Designer Chris Fisher möglich gemacht. Beispielsweise wurde zum Finale des ersten Akts eine Art Hebebühne ziemlich steil zum Publikum aufgerichtet, sodass die Darsteller beinahe waagerecht standen, bevor Elphaba mit ihrem Besen schräg über das Publikum hinweg flog.

 

Die Musik von Stephen Schwartz wurde ab und zu um moderne Klänge ergänzt, doch bot sich sonst das Hörerlebnis, das man kannte und erwartete. Anders sah es bei der deutschen Übersetzung aus, die Ruth Deny (Buch) und Michael Kunze (Lyrics) zu verantworten hatten. Hier wurden einige Texte ebenfalls modernisiert und bei dem Lied ”Was fühl ich in mir“ wurde das „Grauen“ so manches mal durch „Schaudern“ ersetzt. Auch sang das Ensemble beispielsweise im Finale als allerletztes Wort nicht mehr „Hexen“, sondern „Wicked“. Damit war der Text und die Lyrics manchmal anders als auf der Stuttgarter Aufnahme.

 

Die Choreografien von Fabian Aloise waren modern, dynamisch und lebendig, beeindruckten aber auch durch temporäres Einfrieren der Darsteller.

 

Elphaba wurde bei der besuchten Nachmittagsvorstellung von der eigentlich im Ensemble eingesetzten Mezzosopranistin Chiara Fuhrmann übernommen, die ihre Musicalausbildung 2017 an der Joop van den Ende Academy Hamburg abgeschlossen hatte und noch recht jung wirkte. Sie konnte durch ihr beeindruckend starkes und sicheres Belting, zum Beispiel in den Liedern ”Frei und schwerelos“ und ”Gutes tun“, überzeugen, doch brach ihr leider die Stimme in ”Nicht hier in Oz“ kurzzeitig weg. Auch war ihre Sprechstimme stets mit einem Hauch überzogen und deswegen oft nicht klar und deutlich zu verstehen. Ihre Rolle als Elphaba konnte Chiara Fuhrmann dennoch sehr glaubhaft dem Publikum nahebringen.

Die Schweizer Musicaldarstellerin Jeannine Michèle Wacker als Erstbesetzung der Glinda konnte auf ganzer Linie überzeugen. Besonders darstellerisch wusste sie zu begeistern, während sie mit ihrem hellen Timbre sehr gut in diese Rolle passte. Ihr schauspielerisches Talent riss das Publikum mit und brachte es wiederholt zum Lachen.

 

Der eigentlich im Ensemble eingesetzte Tenor Martijn Noort hat die Rolle des Fiyeros übernommen und diese souverän darstellen können. Einzig tänzerisch bekam man das Gefühl, dass er sich ein wenig schwer tat. Darüber hinaus war es sehr schade, dass sein niederländischer Akzent noch so stark zu hören war, dass man sich manchmal wirklich anstrengen musste, um vor allem den gesprochenen Text zu verstehen.

 

Eine beachtliche gesangliche Leistung hat Bariton Andreas Lichtenberger als Erstbesetzung des Zauberers von Oz an den Tag gelegt. Mal sanft, mal rau - er fand stets das richtige Maß von stimmlichem Ausdruck, um seine Rolle nicht nur schauspielerisch dem Publikum näher zu bringen. Nur der Stocktanz schien dann doch nicht ganz seine Spezialität zu sein.

 

Linda Rietdorff, die die Nessa gespielt hat, und der gebürtige Sizilianer Gabriele Bruschi, der die Rolle des Moqs übernommen hat, kamen beide eigentlich ursprünglich aus dem Swing. Während Linda Rietdorff ihre Rolle als Nessa authentisch darstellte und sang, musste man feststellen, dass Gabriele Bruschi stimmlich eine Katastrophe war, ganz besonders im zweiten Akt, und dass ihm das Darstellen seiner Rolle doch eher schwer fiel. Leider war er auch kaum zu verstehen.

Susanne-Elisabeth Walbaum und Gianni Meurer haben als Erstbesetzungen von Madame Akaber und Dr. Dillamonth darstellerisch sowie gesanglich eine überzeugende Leistung dargeboten.

 

Während der Vorstellung hörte man leider manchmal Backstage-Geräusche und die Lautsprecher schnarrten und knisterten einige Male. Auch wurde einmal das Mikrofon von Sarah Fuhrmann zu spät eingeschaltet, sodass sie zunächst ohne technische Verstärkung singen musste.

 

Trotz allem hat die Matineebesetzung der hier kritisierten Nachmittagsvorstellung eine anerkennenswerte Leistung erbracht und das Publikum für fast 3 Stunden inklusive Pause aus der realen Welt in eine Welt voller Magie und Wunder entführen können.