Im Wiener Raimund Theater spielt das Musical-Drama "Rebecca“ und versteht es, das Publikum ganz und gar in seinem Bann zu ziehen.
Besuchte Vorstellung: 29.09.2022 19:30
Das seit über 16 Jahren erfolgreiche Musical "Rebecca“, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Daphne du Maurier, stammte aus den Federn von Michael Kunze, der das Buch und die Liedtexte für das Musical verfasst hat, und von Sylvester Levay, der für die Musik und die Orchestrierung verantwortlich war. Nun kehrte es an den Ort seiner Weltpremiere, das Raimund Theater, zurück und machte unter der Regie von Francesca Zambello den VBW (Vereinigten Bühnen Wien) alle Ehre.
Bei dieser Inszenierung war zunächst einmal das sehr detailreiche, interaktive und mit Liebe gestaltete Bühnenbild, unter der Verantwortung von Peter J. Davison, ein wahres Highlight. Es wurden Projektionen auf teils durchsichtigen Leinwänden verwendet, verschiedene Wände mit Türen und Fenster für die verschiedenen Locations und Zimmer, die heruntergelassen wurden, sowie auch ein kleines Strandhaus mit einer hölzernen Treppe. Am beeindruckendsten war jedoch das detaillierte Innenleben von Manderley dargestellt worden. Während man mit dem Hauptcharakter „Ich“, eine junge, schüchterne Gesellschafterin, die den Adligen Maxim de Winter geheiratet hatte, in eine völlig neue Welt eintauchte, entdeckte man die majestätische Schönheit, jedoch auch das Unheimliche und Unwirkliche in Manderley. Dies wurde beispielsweise mit mit Gold verzierten Säulen oder einer mächtigen Treppe unterstützt. Wenn sich diese Treppe drehte, verwandelte sie sich in eine Bücherwand und man befand sich auch schon in der Bibliothek bzw. dem Salon. Hier wurde viel geboten und generell ging der Wechsel der Bühnenbilder während des ganzen Stücks sehr angenehm reibungslos, schnell und unauffällig vonstatten.
Die Projektionen an den Leinwänden, unter der Verantwortung von Videodesignerin S. Katy Tucker, zeigten beispielsweise das tobende Meer in der Strandgut-Szene, eine Blumenwand oder auch das Ein- und Abfahren eines Zuges, sodass die Veranschaulichung für das Publikum damit noch besser umgesetzt werden konnte.
Die Kostüme von Birgit Hutter waren der Zeit des Dramas entsprechend und so wie man sie auch erwartet hatte.
Auch wenn die Hauptcharaktere in "Rebecca“ weniger tanzen mussten als in manch anderen Musicals, trug die lebendige und in ihrem Wirken kraftvolle Choreografie von Simon Eichenberger einen wichtigen Teil zur Glaubwürdigkeit des Stücks bei.
Die Ohrwurm-Musik von Sylvester Levay wurde an dem besuchten Vorstellungsabend von dem Orchester der Vereinigten Bühnen Wien unter der Leitung von Herbert Pichler mit vollem, voluminösem Klang umgesetzt.
Jedoch fiel auf, dass bei der hier zu kritisierenden Vorstellung der Ton, der unter der Verantwortung von Thomas Strebel stand, des an diesem Abends insgesamt 34-köpfigen Casts untersteuert war und man deswegen manchmal Mühe hatte, die Darsteller zu verstehen.
Doch das tat dem Ganzen keinen Abbruch, denn das Ensemble hat mit all seiner Kraft und Lebendigkeit gesungen, sodass einem jeder Ton sofort ins Mark ging und immer exakt war.
Die Hauptrolle der „Ich“, die in Manderley durch die Haushälterin Mrs. Danvers von dem Geist von Rebecca, der verstorbenen, ersten Frau ihres Ehemannes, verfolgt wurde und sich im Laufe des Stücks, nachdem sie die Wahrheit erfahren hatte, zu einer durchsetzungsstarken, jungen Frau entwickelte, wurde mit vollster Überzeugung von Nienke Latten dargestellt und mit einer erstaunlichen Sicherheit gesungen. Ihre Stimme konnte sie unter anderem auch in dem "Rebecca (Reprise)“ unter Beweis stellen, wo sie auch im Duett mit Willemijn Verkaik nicht unterging.
Mark Seibert machte die Rolle des vornehmen Maxim de Winter zu seiner Eigenen. Er konnte die Verzweiflung seiner Rolle sehr gut dem Publikum nahe bringen, aber auch den Zorn, der in Maxim de Winter brodelte. Dabei half ihm unter anderem sein sicherer Gesang mit seiner Expressivität. Seine Kraft konnte er beispielsweise in dem Lied "Gott, warum?“ darbieten.
Die Rolle der Haushälterin Mrs. Danvers hat Willemijn Verkaik auf ihre eigene Art interpretiert. So stellte sie diese Rolle weniger herrisch, sondern doch eher verzweifelt, heimtückisch und gefährlich dar. Ihre Stimmgewalt wurde nur von einem Rasseln in der Stimme gemildert, was bereits die ein paar Tage später aufgekommene Erkältung erahnen ließ. Doch das tat ihrem Gesang am besuchten Abend keinen Abbruch. Sie schmetterte die Töne in ihren Liedern, zum Beispiel in dem titelgebenden Lied "Rebecca“, mit vollster Kraft heraus.
Boris Pfeifer hat Jack Favell, Rebeccas Cousin und Liebhaber, ebenfalls einen eigenen Touch verliehen. So erschien seine Interpretation der Rolle weniger böse, sondern nur raffgierig und größenwahnsinnig, was auch nochmal sein spezielles, übertrieben wirkendes Entertainment unterstützte.
Annemieke van Dam hat bei der besuchten Vorstellung als Beatrice darstellerisch überzeugen können, jedoch war es ziemlich schade, dass sie sich gesanglich wirklich sehr zurückhielt, um laut eines Interviews der VBW (Quelle: https://youtu.be/XhkcxXe04c0 Zeitindex: 4:03) den Kontrast zwischen Beatrice und ihrer alternierenden Rolle Mrs. Danvers herzustellen. Da man sie nicht an einem Abend in beiden Rollen sehen konnte, wäre es wünschenswert gewesen, wenn sie in der Rolle der Beatrice gesanglich auch ihr volles Potenzial gezeigt hätte. So wirkte es nun jedoch leider besonders im ersten Akt bei den Liedern "Die lieben Verwandten“, "Was ist nur los mit ihm?“ und „Der Ball von Manderley“ etwas zu zart. Im zweiten Akt bei dem Duett "Die Stärke einer Frau“ legte sie dann etwas mehr Kraft in ihre Stimme, was auch beim Zuhören angenehmer war.
Ana Milva Gomes interpretierte Mrs. Van Hopper nicht ganz so schrill, konnte jedoch auch in ihrer herrischen und etwas vornehmeren Darstellung überzeugen. Sie begeisterte zum Beispiel in "I’m An Amarican Woman“ mit ihrem kraftvollen Gesang.
James Park verkörperte Frank Crawley und überzeugte vor allem mit seiner einfühlsamen, klaren und ausgeglichenen Stimme.
Auch Aris Sas als Ben und Florian Fetterie als Giles verstanden es darstellerisch und gesangstechnisch sicher und souverän ihre Rollen zu verkörpern sowie auch Ulrich Allroggen als Oberst Julyan.
Mit wohlverdientem, tobendem Applaus und langanhaltenden Standingovations drückte das Publikum zum Schlussapplaus ihre feurige Begeisterung aus.
"Rebecca - Das Musical“ im Wiener Raimund Theater ist ein absolut sehenswertes, sehr aufwendig gestaltetes Stück, für dessen Erlebnis sich ein Besuch in Wien auf jeden Fall lohnt.