
Cast am 05.03.2025
Rolle | Verkörpert durch |
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Das Phantom | Anton Zetterholm |
Christine Daaé | Lillian Maandag |
Raoul, Vicomte de Chagny | Roy Goldman |
Monsieur André | Rob Pelzer |
Monsieur Firmin | Dennis Kozeluh |
Carlotta Giudicelli | Milica Jovanović |
Madame Giry | Patricia Nessy |
Ubaldo Piangi | Greg Castiglioni |
Meg Giry | Laura May Croucher |
Am Raimund Theater in Wien treibt das Phantom in einer angepriesenen Neuproduktion sein Unwesen, die für neue Zuschauer zwar ansehnlich daherkommt, doch für Phantom-Liebhaber womöglich eine Enttäuschung darstellt.
Besuchte Vorstellung: 05.03.2025 18:30
Die weltbekannte Geschichte des Phantoms der Oper ist zurück nach Wien gekommen, und während man auf die notwendige Ernsthaftigkeit hofft, mit der sich die Dreiecksbeziehung zwischen Christine, dem Phantom und Raoul entwickelt und zuspitzt, wird im Raimund Theater schnell klar: Es entwickelt sich anders als gewohnt.
Die Regie unter Laurence Connor und die Wiener Regie unter Seth Sklar-Heyn interpretierte dieses Musical auf andere Weise.
Unnötige Texteinwürfe wie “Kopf immer in den Wolken” zogen diese Inszenierung unfreiwillig ins Abstruse, sodass es auch schwerfiel, eine echte Verbindung zu den Bühnencharakteren aufzubauen, da viele Dialoge zugespitzt, humoristisch und theatralisch überzeichnet wirkten.
Außerdem wirkte die komplette Produktion gehetzt, da zum Beispiel zwischen den Liedern “Das Phantom der Oper” und dem Anhängsel „Sieh, ich hab dich …” für das Publikum keine Pause zum Durchatmen blieb. Im Gegenteil: Sobald sich das Duett “Das Phantom der Oper” dem Ende näherte, setzte bereits der Orgelpart von „Sieh, ich hab dich …” ein, noch bevor Christines finaler Ton ganz ausgesungen war.
Eine weitere fragwürdige Szene war im zweiten Akt die Szene fünf “Ein Friedhof in Perros” bei “Bravo, Monsieur”, in der es zur Konfrontation zwischen Raoul und dem Phantom kommt – leider ausgeartet in einem nicht ernst zu nehmenden, theatralischen Handgemenge.
Die Charaktere wurden in dieser Produktion ebenfalls anders gezeichnet, beinahe karikiert. So wirkte das Phantom an vielen Stellen eher verzweifelt und entzaubert als gefährlich und mystisch. Positiv fiel auf, dass der Charakter von Christine reifer wirkte und sich besonders im zweiten Akt auch gegen Raoul auflehnte und zu wehren versuchte. Dieser eine positive Punkt konnte jedoch nur wenig zur Verbindung zwischen Publikum und Christine beitragen.

Einen sehr nennenswerten Eindruck machte jedoch das liebevoll und detailreich gestaltete Bühnenbild nach der Vision von Paul Brown. Besonders im Gedächtnis blieb der Niedergang zum Versteck des Phantoms im Kellergewölbe der Pariser Oper. Dieser gestaltete sich durch eine Art Turmmauer, aus der einzelne Treppenstufen nach und nach herausfuhren. Generell wurde beim Bühnenbild beinahe alles umgesetzt, was technisch möglich war, was eine Treppe im zweiten Akt bei “Maskenball” und “Was erschreckt Sie so?” umso wünschenswerter gemacht hätte, um dem Auftritt des Phantoms einen optischen Hochstatus zu verleihen, der im Stück beinahe überhaupt nicht vorkam.

Die Kostüme waren mit erstaunlicher Genauigkeit dem Vermächtnis der Kostümbildnerin Maria Bjornson verpflichtet. Sie wirkten mit den Kleidern, Fracks, Gehröcken und Theaterkostümen sehr traditionell, durchdacht und nahe an der Kleidung der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts.
Die Choreografien von Scott Ambler und Nina Goldman waren wie die Kostüme – etwa bei “Maskenball” – ebenfalls eher traditionell gehalten, was hier angenehm auffiel und die damalige Zeit gut abzeichnete.
Das Lichtdesign von Paule Constable und Rob Casey schaffte das, woran es der Regie mangelte. Es tauchte die Inszenierung stets in die passende Stimmung, oftmals düster und mystisch.
Das Sounddesign von Mick Potter und Nic Gray war beinahe anstandslos abgestimmt. Nur gelegentlich wäre es wünschenswert gewesen, die gesprochenen Dialoge etwas lauter zu regeln. Bemerkenswert war jedoch der spatial Sound, der dafür sorgte, dass die Stimme des Phantoms beispielsweise in Akt zwei, Szene drei “Das Direktionsbüro” bei “Briefe” im Theatersaal rotierte.
Die bekannte Musik von Andrew Lloyd Webber wurde an diesem Abend vom Orchester der Vereinigten Bühnen Wien unter der musikalischen Leitung von Carsten Paap mit vollem, bombastisch-voluminösem Klang wiedergegeben und konnte das Publikum begeistern.
Der Cast schaffte es an einigen Stellen, diese Inszenierung deutlich aufzuwerten. Die stimmliche Kraft des Ensembles konnte den Saal vollends ausfüllen.

Der Tenor Anton Zetterholm als das Phantom demonstrierte darstellerische und gesangliche Kraft, Zerbrechlichkeit und Schmelz zugleich. Er zeigte sowohl angemessene klassische Technik als auch Belting. So wurden allein schon durch ihn Lieder wie “Das Phantom der Oper” und “Die Musik der Dunkelheit” zu Höhepunkten des Musicals. Zetterholm konnte mit seinem stimmlichen Ausdruck ein wenig die Gefährlichkeit seiner Rolle retten. Umso bedauerlicher war es, dass er in “Mehr will ich nicht von dir (Reprise)” in der Kopfstimme den Ton auf dem Wort „Klang” bei „gab deiner Stimme Klang” kurzzeitig falsch ansetzte, sich jedoch sofort wieder fing. Im Finale von Akt zwei, Szene neun übertrieb er zudem die Darstellung von Verzweiflung und Trauer minimal. Diese Momente zerstörten den Gesamteindruck seiner Leistung an diesem Abend jedoch nicht.

Christine wurde von Lillian Maandag dargestellt. Sie gab ihrer Rolle ungewöhnliche Durchsetzungskraft und Stärke, die sich auch in ihrem Gesang zeigte. Obwohl ihre Stimme in einigen Höhen – beispielsweise im Duett “Das Phantom der Oper” – eher dünn wirkte, bewies sie an anderen Stellen wie in “Denk an mich” und “Könntest du doch wieder bei mir sein” ihre Durchschlagskraft. Maandag zeigte am gesamten Vorstellungsabend keine offensichtliche tonale Schwäche.

Der Bariton Roy Goldman übernahm die Rolle des Raoul, Vicomte de Chagny. Sein warmes Timbre fiel besonders im Duett “Mehr will ich nicht von dir” angenehm auf. Doch hatte er im Finale von Akt zwei, Szene neun zwei Intonationsprobleme im Terzett. Darstellerisch und tänzerisch konnte er auf ganzer Linie überzeugen.
Monsieur André und Monsieur Firmin, verkörpert durch Rob Pelzer und Dennis Kozeluh, waren darstellerisch sowie stimmlich grandios besetzt und aufeinander abgestimmt. Die beiden Operndirektoren konnten schauspielerisch – in den Grenzen des Möglichen – sowie gesanglich vollends überzeugen.

Milica Jovanovič glänzte als Carlotta Giudicelli. Durch ihren fein zugespitzten und dennoch präzisen und kräftigen klassischen Gesang konnte sie ihrer Rolle im Laufe des Stücks immer wieder eine passend leicht überzeichnete, divenhafte, jedoch angenehmere Aura als in anderen Produktionen geben.
Patricia Nessy stellte Madame Giry dar – mütterlicher gegenüber Christine als gewohnt, ansonsten stark und doch etwas nervös. Stimmlich passte sie sich an ihre Darstellung der Rolle an, obwohl dies vereinzelt in Momenten des Zorns sehr angestrengt und gepresst klang.

Ubaldo Piangi wurde von Greg Castiglioni verkörpert. Obwohl insbesondere im ersten Akt stellenweise der Eindruck entstand, er könne die Rolle nicht vollständig stimmlich ausfüllen, war er darstellerisch präsent.
Als Überraschung erwies sich Laura May Croucher mit ihrer starken Darstellung, ihrem Tanz und ihrem allzeit sicher intonierten klassischen Gesang – beispielsweise in “Engel der Lieder”.
“Das Phantom der Oper” am Raimund Theater in Wien ist für jeden eine Empfehlung wert, der sich auf eine unterhaltsame Vorstellung mit einem starken Bühnenbild, tollen Kostümen, mitreißender Musik und einem fantastischen Cast freuen möchte. Wer sich aber auf die Tiefgründigkeit der eigentlichen Geschichte und die Verbindung zu den Charakteren fokussiert, dem sei zur Vorsicht geraten.
